Steinmetz-Fachbegriffe 5/2024
Schwabacher, eine politische Schrift?
Hier geht es um einen Aspekt der historischen Schriftentwicklung in der Zeit als das Nazi-Regime herrschte; die bei heutigen Steinmetzen weitestgehend unbekannt ist. Adolf Hitler ließ Anfang 1941 die Schwabacher-Schrift verbieten, die damit zur Hass-Schrift wurde.
Name
Die Schwabacher entwickelte sich aus der aus dem Frankenland stammenden gebrochenen Schrift „Bastarda“ und ist im Jahr 1481 erstmals belegt. Der Name Schwabacher oder auch „Wittenberger“-Schrift geht mit großer Wahrscheinlichkeit auf frühe Reformationsdrucke zurück. Die auf dem Konvent von Schwabach im Jahr 1529 beschlossenen „Schwabacher Artikel“ fanden ihren Niederschlag in der 1530 stattfindende Confessio Augustana der lutherischen Reichsstände in Augsburg.*
Verwendung
Inwieweit sich diese politische Vorgabe auf die damaligen Friedhöfe und damit auf die Schriftgestaltung auf Grabmalen auswirkte, ist nicht bekannt bzw. erforscht. Ebenso unbekannt ist, inwieweit dieses Verbot über den durch die Nationalsozialisten zwangsweise gleichgeschalteten Reichinnungsverband der Steinmetze im Dritten Reich bis in die Steinmetzbetriebe durchgedrückt wurde. Zunächst richtete sich das Verbot der Schwabacher gegen Druckerzeugnisse, die für das besetzte Ausland bestimmt waren und Zug um Zug sollte dies auf alle gesellschaftlichen Bereiche wie beispielsweise auf staatliche Ernennungsurkunden, Verkehrsschilder usw. ausgeweitet werden.
Steinmetze wissen: Schrift, Schriftbild und Schriftanordnung transportieren nicht nur Inhalte, sondern sind Elemente, mit denen sie Natursteine gestalten. Nicht nur mit den gebrochenen Schriften, auch Gotische Schriften genannt, darunter die Schwabacher, gestalten Steinmetze bis heute Grabsteininschriften, die an Personen erinnern. Sie verwenden noch viele weitere Schriften.
Steinmetze beherrschen die Gestaltung mehrere gebrochene Schriften und wenden sie gekonnt fachlich als Inschriften auf Grabsteinen mit Computer gesteuerten Maschinen oder händisch an. Nationalsozialistisch verherrlichende Botschaften in gebrochener Schrift werden heutzutage auch von ihren Anhängern auf Körperteile tätowiert oder gegenteilig politisch Gesinnte nutzen diese Schriften, um vor Rechtsextremen zu warnen. Heutige Rechtsextreme verwenden immer noch gerne gebrochene Schriften, obwohl die Nationalsozialisten die Schwabacher verboten, die zu den gebrochenen Schriftarten zählt. Ein Widerspruch? Nein: Hier liegt ein fehlendes Geschichtsverständnis vor.
Verbot der Schwabacher
Martin Bormann, der Leiter der Reichskanzlei der Nationalsozialistischen Partei (NSDAP) im Rang eines Ministers, verbot die Verwendung der Schwabacher in einem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Rundschreiben vom 3. Januar 1941 an hohe Funktionsträger wie Reichsleiter, Gauleiter und Verbändeführer. Dies geschah im Auftrage des Führers Adolf Hitler, der alles Gotische verachtete und in jener Zeit auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen war. Es wurde festgestellt, dass In den besetzten Gebieten kaum jemand gebrochene Schrift lesen konnte. Stattdessen sollte nun die Antiqua als „Normal-Schrift“ künftig ausschließlich verwendet werden. Die Verwendung der Schwabacher, die die Nationalsozialisten als „Schwabacher Judenlettern“ bezeichneten, durch Behörden habe künftig zu unterbleiben. Nach und nach sollten alle Druckerzeugnisse auf Normal-Schrift umgestellt werden, so Bormann.
Der eigentliche Grund für das Verbot war, dass für das Ausland bestimmte Schriften, die in Frakturschrift gedruckt waren, für besetzte Bevölkerungsgruppen, die ansonsten Antiqua-Schrift zu lesen gewohnt waren, nur schwer oder gar nicht lesbar waren. Eine Rolle dürfte auch die Vorstellung von Joseph Goebbels, „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“, gespielt haben, die nationalsozialistische Zeitung „Das Reich“, die zum ersten Mal am März 1940 als Wochenzeitung erschien, weltweit zu verbreiten. Denn wer zur Weltmacht aufsteigen wolle, müsste auch eine Schrift verwenden, die die ganze Welt lesen konnte.
Fadenscheinig begründet wurde dieser Beschluss damit, dass die Schwabacher in der Gotik von Juden erfunden worden sei. Wahr ist: Die Schwabacher Schrift ist eine der zahlreichen gebrochenen Schriften, die bereits seit dem 15. Jahrhundert Verwendung findet. Es gibt keine Belege für diese Behauptung. Es war eine Lüge, denn nur Christen durften im 15. Jahrhundert Druckereien gründen. Juden durften wegen strenger Zunftgesetze nicht einmal Druckereien betreten.
Nachweise
* Friedrich Beck: „Schwabacher Judenlettern“. Schriftverruf im Dritten Reich. In: Sonderdruck aus „Die Kunst des Vernetzens“. Festschrift für Wolfgang Hempel. Hrsg. v. Botho Brachmann, Helmut Knüppel, Joachim-Felix Leonhard, Julius H. Schoeps. Verlag für Berlin Brandenburg 2006. S. 253. ISBN 3-86650-344-X.
Weblink zur Schwabacher Schrift
https://www.obib.de/Schriften/AlteSchriften/Deutsch/Schwabacher.html
Reiner Flassig, 16. November 2024
Steinmetz-Fachthemen Nr. 4/2024
Zur Frage des Inhalts und der Entstehungszeit des Steinmetz-Zunftlieds
Über das Steinmetz-Zunftlied gibt es nur wenige Quellen. Wann das Lied entstanden ist, kann bisher nur vermutet werden. Dazu mehr weiter unten.
Die Autoren, die über dieses Lied substanziell schreiben, sind Eugen Weiss, Alfred Schottner und Theo Röhring: Röhrig war ein liedersammelnder Steinmetz in Baden-Württemberg. Weiss hat eine Zeitlang als Steinmetz im Schwabenland gearbeitet. Schottner hat mehrere wissenschaftliche Arbeiten über die Geschichte des Handwerks verfasst, darunter des Steinmetzhandwerks, wofür er mehrere akademische Doktortitel erhielt. Er arbeitete als Jahrzehnte lang als Führungskraft in Handwerksorganisationen.
Weiss führt zum Liedesgut der Steinmetze in einem Kapitel seines Buches aus, dass diese zwar gesangsstark waren, jedoch die Zimmerleute mit ihren Liedern Richtfeste dominierten und sich deren Liedgut mehr verbreitete. Das Verhalten der Steinhauer gegenüber anderen Menschen sei anders als jenes der Steinmetze gewesen. Er nennt hierfür drei Aspekte: Erstens waren andere Menschen für die Steinhauer stets „steinreich“, zweitens überzogen sie sie mit spöttischem Humor und drittens verfügten die Anderen vor allem über ein umfangreicheres Liedgut. Die Lieder der Steinmetze stammen – auch ihr Zunftlied – nicht von ihnen selbst, sondern sie seien aus allgemeinen Volks- und Handwerksliedern übernommen und angepasst worden, so Weiss.
Für Weiss ist das Steinmetz-Zunftlied zweifelsfrei dem der Zimmerleute nachgebildet und es wäre deshalb keineswegs „wertlos“. Die Steinmetzlieder wie auch die Steinmetzsprüche und Steinmetzgedichte „atmen“ seiner Meinung nach den „Wesensgeist“ der Steinmetze aus. Warum das Steinmetzlied aus dem Zunftlied der Zimmerleuten stamme, dazu trägt er drei Argumente vor. Erstens: Das Lied fange mit einem Bezug zum Wald an, also zum Holz. Zweitens: Im Grunde müsste das Steinmetzlied die steinernen Kirchen, Schlössern und Kirchen an den Anfang stellen. aber die Steinmetze wollten nicht mit "Schwere ihrer Arbeit" ihr Lied beginnen. Drittens: Während das Zunftlied der Zimmerleute stets nur das „Sichschlagen“ kenne, setzen die Steinmetze auf das „Einandervertragen“ (Weiss, S. 173-174), eine überaus angenehme Eigenschaft!
Allgemein wird von vielen Steinmetzen angenommen oder sogar behauptet, dass das Steinmetz-Zunftlied aus dem Jahr 1462 stammt. Alfred Schosser geht davon aus, dass die Lieder, die Theo Röhrig gesammt habe, aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen (Schottner, S. 232). Belegt ist, dass die Bauhüttenordnung aus 1462 stammt, eine der ältesten. Dass das Zunftlied im gleichen Jahr wie die Bauhüttenordnung von Rochlitz entstand, kann vermutet werden, ist aber leider nicht belegt. Es macht Sinn von "vermutlich 1462" zu schreiben. Das Zunftlied ist trotz alledem ein wichtiges Steinmetz-Zeitdokument.
Verwendete Literatur:
Alfred Schottner: Das Brauchtum der Steinmetzen in den spätmittelalterlichen Bauhütten und dessen Fortleben und Wandel bis in die heutige Zeit, LIT Verlag, Münster, Hamburg. 2., korrigiert Aufl. 1994, (Volkskunde Bd. 6). ISBN 3-8258-2354-7. (Dissertation 1991: Westfälische Wilhelms-Universität Münster).
Theo Röhrig: Liederbuch der Steinmetze, o.A. 1983.
Eugen Weiss: Steinmetzart und Steinmetzgeist. Eugen Diederichs Verlag, Jena 1938. (Das Werk ist in einer gebrochenen Schrift verfasst, in Fraktur).
*Anmerkungen zum Buch von Eugen Weiss: Sein Werk in Frakturschrift gedruckt und ist für viele daher kaum lesbar. Weiss outete sich in seinem Steinmetz-Buch als ein Vertreter der damals weit verbreiteten völkischen Ideologie im sogenannten Deutschen Reich. Dieser Ideologie hingen große Teile der Bevölkerung an. Weiss verbreitete in dem Buch die Auffassung einer der kleinen germanisch- und deutschgläubigen Gemeinschaften, die sich den nordischen Gottheiten wie Wotan u.a. zugewandt hatte. Für ihn war der sogenannte "Wirbelkreis" zentral, "von dem alles Leben im All, alles Leben der germanischen Kunst, alles germanische und indogermanische, arische Gotteserkennen" ausgeht. (Weiss, S. 203) Das Christentum lehnte er in Gänze ab.
Das heißt nicht, dass sich Weiss in der Zeit als er das Buch verfasste sich zu einem Nationalsozialisten entwickelte oder seinerzeit einer war. Allerdings war die von ihm vertretene Ideologie im Buch im Kern nationalistisch und rassistisch. Nicht nur, weil er die Bauleistungen anderer Völker schlecht redete und damit abwertete, sondern vor allem auch, weil er das Völkische in die Köpfe der Menschen brachte, auf der später die nationalsozialistische Ideologie einen vorbereiteten Nährboden fand und sich verbreiten konnte. Für ihn zählte nur das Nordische und das Germanische.
Reiner Flassig, 10. November 2024
Das Steinmetzlied im Format DIN A4 kann hier heruntergeladen werden.
Steinmetz-Fachthemen Nr. 3/2024
Die Kunststeine wie Betonwerkstein, Agglo-Marmor, Quarzkomposit und Keramik in ihrem fachlichen Zusammenhang und ihrer historischen Entwicklung betrachtet
Gliederung
Vorbemerkung
1 Exkurs: Naturstein
2 Historische Kunststeine
3 Moderne Kunststeine
3.1 Keramik
3.2 Quarzkomposit
3.3 Agglo
3.4 Mineralwerkstoff
Vorbemerkung
Kunststein ist keine Bezeichnung für Werkstücke von Künstlern, sondern für künstlich hergestellte Werksteine. Dazu zählen alle handwerklichen und industriell hergestellten Werksteine, die weitestgehend Oberflächen der Natursteine nachempfinden. Kunststeine lassen sich mit Werkzeugen und Maschinen formatieren und bearbeiten, die Steinmetze üblicherweise auch für Naturstein verwenden und vorhalten.
Im Schwerpunkt geht es im Folgenden vor allem um die Verwendung von Kunststeinen für Küchenarbeitsplatten und Waschtischplatten in Bädern.
Kunststeine werden hauptsächlich nach ihrer Bindung unterschieden:
1. zementgebundene und
2. kunstharzgebundene mit Polyester, Acrylat und Epoxidharz und
3. Keramik, die unter Einwirkung großer Hitze in einem Sinterprozess erhärtet.
1 Exkurs: Naturstein
An dieser Stelle muss nicht für die Einmaligkeit von Naturstein argumentiert werden, trotzdem wird oft vergessen: Gehandelt werden ca. 4.000 unterschiedliche Natursteine in Deutschland, jährlich kommen etwa 60 neue hinzu. Von einem gehandelten Kunststein, der die meisten Sorten anbietet, gibt es ein Lieferanten-Angebot von meist lediglich 100 unterschiedlich gestalteten farblichen und textierten Kunststeinen mit etwa 3 unterschiedlichen Oberflächenstrukturen im Innenausbau. Kein Naturstein gleicht dem anderen und ist dadurch einmalig bzw. einzigartig. Die meisten Kunststeine können mit ihren Oberflächen und ihrer Textur und Farben Natursteine lediglich nachempfinden.
Granit ist ein Hartgestein, ein robuster und fester Naturstein. Granite sind gegen Hitze, Flecken und Kratzer sehr beständig. Granit ist meist gering porös und könnte Feuchtigkeit aufnehmen, deshalb sollten Natursteine wie Granite und Natursteine mit granitähnlichen Eigenschaften in Küchen und Bädern (nur dort) von Zeit zu Zeit versiegelt werden. Man nennt dies Pflege, die bei den meisten anderen Stoffen, die im Gebrauch sind, auch erforderlich sind. Hierzu gibt ein Steinmetzbetrieb Rat, übergibt Pflegeanleitungen und kann bei Beschädigungen beraten und ausbessern. Ein bedeutender Vorteil von Naturstein gegenüber anderen Materialien liegt in der Nachhaltigkeit: Hierzu gibt es bemerkenswerte Studien zur Nachhaltigkeit von Naturstein des Deutschen Naturwerkstein-Verband e.V
Ein Steinmetzbetrieb muss sich an der Marktnachfrage orientieren, kann fachlich Natursteine und Kunststeine beraten, bearbeiten und herstellen und Kundenwünsche befriedigen. Es bleibt dabei: Naturstein ist Gold, Kunststein Silber!
2 Historische Kunststeine der Steinmetze
Als historische Kunststeine bezeichne ich die in diesem Abschnitt vorgestellten Werksteine, weil sie in der Vergangenheit der Steinmetze Bedeutung hatten. Sie sind im Jahr 2024 lediglich randständig. Sie spielen bei Steinrestaurierungsarbeiten an historischen Bauwerken eine gewisse Rolle.
2.1 Betonwerkstein
Betonwerksteine der Steinmetze entstanden ab etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie wurden aus den Zuschlägen von verwitterungsbeständigen Gesteinskörnungen, Gesteinsmehl, Zementfarben und Zement, erdfeucht angemischt (Vorsatzmörtel genannt) und aus b) Zement mit Kies (Beton) plastisch angemischt.
Der erdfeuchte Vorsatzmörtel wurde an den zukünftigen Sichtflächen aufgetragen und die plastische Mischung aus Beton, die als Füllmaterial diente, daneben aus dem Vorsatzmörtel eingebracht. Beide Mischungen wurden zunächst händisch hergestellt, später unterstützten Maschinen wie elektrisch angetriebene und vibrierende Stampfer, Rütteltische und Zwangsmischer die Arbeiten.
Die Mischungen wurden in den kleinen Betrieben auf großen Betonplatten in Formen gestampft oder gerüttelt.
Steinmetze fertigten aus Betonwerkstein vor allem Fenstergewände, Balustraden, Treppenbeläge und verlegten industriell hergestellte Bodenplatten (geschliffen und ungeschliffen, meist 30 x 30 cm groß), ferner Grabmalsockel sowie Grabeinfassungen. Mit in ihrer äußeren Form zugesägten Naturstein-Krustenplatten, die in Schalungen eingelegt und mit Vorsatzmaterial und Beton als Füllmaterial umschlossen wurden, entstanden preisliche Alternativen zu Grabsteinen aus Naturstein. Bildhauer füllten in jener Zeit Vorsatzmaterial in negative Gipsformen und gossen auch große negativ geformte Reliefs damit aus, die sie aus statischen Gründen ggf. mit Baustahl verstärkt werden konnten. Diese großformatigen Reliefs zieren bis heute zahlreiche Bauwerke jener Zeit.
Diese handwerkliche Tätigkeit schuf damals Arbeit, kleine Firmen und mittelständische Betriebe entstanden und erzeugte eine hohe Wertschöpfung, indem Einkommen im Mittelstand entstanden und Löhne ausgezahlt wurden, die zu großen Teilen in den Konsum floss.
Dieser von Steinmetzen als Kunststein bezeichnete Werkstein drängte den Naturstein vor allem deshalb zurück, weil dies seinerzeit eine finanzielle Alternative zum Naturstein darstellte.
Der Kunststein, den auch die Steinmetze fertigten, zeigte seine abschließende sichtbare Werkstein-Oberfläche durch Bearbeitungen wie schleifen oder scharrieren.
Die Formen in die Mischungen eingebracht wurden, waren aus Holz oder Metall und um eine Haftung des Vorsatzmaterials an den Formen und Untergrund weitestgehend zu unterbinden, erfolgte ein Auftrag mit speziellen Trennmitteln. Nachdem die Formen entfernt worden waren, konnten die Werksteine mit einem Scharriereisen zwischen Kunststein und Auflage locker geschlagen werden. Für gewendelte Treppen gab es verstellbare Formen aus Metall. Die Fugen in den Formen wurden mit Gipsmörtel zugestrichen. Die offenporigen Sichtflächen wurden, sofern sie geschliffen werden sollten, nach dem ersten Schleifgang mit einer farblich angepassten Mischung von Zement und Zementfarbe eingeschlämmt. Nach dem Erstarren der Schlämme erfolgte der abschließende Schleifvorgang. Sollten die Sichtflächen scharriert werden, war ein Schleifen nicht erforderlich. Die Ansichtsseiten konnten mit Steinsägen mit aufmontieren Umfangsfräsern auf die erforderliche Steinstärke linear abgestärkt werden.
Ein Versetzen dieser Kunststeine erfolgte mit mineralischen Mörteln. Sofern eine Verankerung und Stabilisierung erforderlich war, erfolgte dies bis zum Aufkommen von V4A-Stahl durch ungeschütztes Eisen, was zu Rostschäden führen konnte.
Diese Art der Betonwerkstein-Herstellung in Betrieben war nach dem Zweiten Weltkrieg in der ehemaligen DDR bis zur Wende verbreitet, denn damit konnte der Schutt aus den regionalen Steinbrüchen verwertet werden. In der BRD begann die Ablösung mit dem Aufkommen des so genannten Agglo-Marmor, der sich in 1960er Jahren verbreitete.
Als Anfang der 1970er Jahre, vor allem aus Italien, Naturstein preiswert importiert werden konnte, verdrängte dies diesen künstlichen Stein, der heute (2024) für die Steinmetze lediglich noch Bedeutung in der Steinrestaurierung zur Behebung von anfallenden Verwitterungsschäden hat. Im Bauwesen haben die preiswerten Platten aus Betonwerkstein im Format 30 x 30 cm Bedeutung als Bodenbelag in Einkaufszentren.
Man muss den historischen Kunststeinen nicht nachtrauern, denn es war keine attraktive Arbeit, die Schur- und Schleifarbeiten vollzogen sich stets im Nassen, die Füße steckten in Gummistiefeln, die Gummischürzen ragten von der Brust bis über diese Stiefel. Die Hände wurden durch das Hantieren beim Einschlämmen von den nassen Zementmassen aufgeweicht.
Sonderfall: Waschbeton
In den 1960er und 1970er Jahren gab es den sogenannten Waschbeton, der mit dem Bindemittel Zement ausschließlich für Außenbau für Fassadenplatten, Außentreppen und Gehwegplatten hergestellt wurde. Er erhielt seine namensgebende Oberfläche durch das Freiwaschen der oberflächennah eingebrachten Kiesel mit Bürsten oder Hochdruckgeräten. Waschbeton zählt ebenfalls zu den Kunststeinen und wurde von Steinmetzen nahezu ausschließlich für Bodenbeläge verwendet. Er spielt für die Steinmetze heute wirtschaftlich kaum eine Rolle mehr und wird deshalb hier nicht mehr weiter behandelt.
3 Moderne Kunststeine der Steinmetze
3.1 Keramik
Steinmetze sehen sich mit unterschiedlichen Fachnamen konfrontiert wie Feinsteinzeug (Fliesenleger), Porzellankeramik (Kunstname), Sintered Stone (Handelsbezeichnung) oder kurz Keramik. Bei dem von Steinmetzen verwendeten Begriff Keramik handelt es sich um einen Kunststein im Großplatten-Format, den eine italienische Firma im Jahr 2002 zum ersten Mal auf den Markt brachte.
Name
Im Unterschied zu den anderen Kunststeinen erhärtet die von den Steinmetzen so genannte Keramik nicht durch ein mineralisches Bindemittel oder Kunstharz, sondern durch einen Sinterprozess (siehe Erklärung weiter unten). Dies geschieht im Unterschied zu sonstiger Keramik oder Feinsteinzeug, die die Fliesenleger verbauen. Steinmetze benutzen in ihrem Beruf eindeutige und zumeist kurze Namen für „ihren Naturstein“ wie Granit, Marmor etc. Sie verwenden nun Keramik. Besser wäre es meiner Meinung nach, die Bezeichnung „Feinstein“ zu verwenden, damit wäre sowohl an das Wissen der Fliesenleger mit Feinsteinzeug als auch für die Gewohnheiten der Steinmetze angeknüpft worden. Aber haben sich Namen einmal durchgesetzt, sind sie kaum zu ändern. Hier wird im Folgenden von Keramik gesprochen.
Verwendung
Die Keramik eignet sich für Außen- und Innenbekleidungen, Fußbodenbeläge für innen und außen, Möbel, Großformatplatten in Bädern und Arbeitsplatten in Küchen und Waschtische in Bädern, Tische in Laboren, Krankenhäusern, Arztpraxen und in Computerräume sowie für Möbel.
Diese Keramik ist UV-beständig und hält damit ihre Farbe dauerhaft, die Wasseraufnahme ist extrem niedrig. Deshalb lassen sich diese Platten leicht reinigen und sind hygienisch. Es treten keine Schadstoffe aus und Keramik ist lebensmittelverträglich. Diese Keramik kann mit den üblichen Küchenwerkzeugen kaum zerkratzt werden. Sie sind wegen ihrer guten Biegezugfestigkeits-Werte äußerst formstabil und hoch bruchresistent bei üblichem Gebrauch in den Küchen und Bädern. Wenn die Platten auf einer verwindungssteifen Unterkonstruktion aufgebaut werden, bestehen keine Probleme. Die Platten sollten nach einer Technischen Richtlinie der Bundesinnung Deutscher Steinmetze eine Mindeststärke von 12 mm haben und die Reststegbreite sollte 50 mm nicht unterschreiten. Verbesserungen der Stabilität sind durch Platten aus Naturstein, Metall und Holz sind möglich.
Herstellung
Keramik besteht aus feingemahlenem Kaolin, Feldspat und Quarz. Die lose Mischung wird mit Wasser angemischt, in Formen gefüllt, mit einem Druck von 420 kp/cm verpresst und in Trockenkammern auf eine Restfeuchte von 4 bis 6 % gebracht. Das Platten-Dekor, das uns hier interessiert – meist mit einer natursteinähnlichen Oberfläche – wird unter anderem in einem Digital-Druckverfahren aufgetragen, deshalb haben diese Kanten kein Dekor. Es gibt aber einige Plattensorten, die ein durchgängiges Dekor von Plattenoberfläche und Kanten haben.
In dem Vorbrand nach der Trocknung sind poröse Platten entstanden, die in Glasurschlamm getaucht werden. Anschließend entsteht in einem zweiten Brand eine Oberfläche, die wie Glas anmutet. An der Farbgebung sind lediglich vier Zirkonsilikate beteiligt, die durch entsprechende Mischung jeden Farbton ermöglichen.
Maßgeblich an dem stattfindenden Sinterungsprozess beteiligt ist Feldspat, der unter einem Hitzeeinfluss in einer Dauer etwa 35 Minuten Dauer in Elektroöfen schmilzt. Nach Temperaturen von 1.200 bis 1.300 °C findet das Mineral Feldspat im Abkühlungsprozess nicht mehr zu seiner früheren Kristallform zurück. Insofern unterscheidet dieser Produktionsprozess vom Feinsteinzeug, weil dort Feldspat wieder seine Kristallform annimmt. In dem zweiten Brand mit anschließender Abkühlung erreicht Keramik eine Zähigkeit und Homogenität. Diese Keramik-Platten können mit Steinsägen mit speziellen Sägeblättern oder Wasserstrahlmaschinen formatiert werden.
Verwendung
Die Keramik eignet sich für Außen- und Innenbekleidungen, Fußbodenbeläge für innen und außen, Möbel, Großformatplatten in Bädern und Arbeitsplatten in Küchen und Waschtische in Bädern, Tische in Laboren, Krankenhäusern, Arztpraxen und in Computerräume sowie für Möbel.
Diese Keramik ist UV-beständig und hält damit ihre Farbe dauerhaft, die Wasseraufnahme ist extrem niedrig. Deshalb lassen sich diese Platten leicht reinigen und sind hygienisch. Es treten keine Schadstoffe aus und Keramik ist lebensmittelverträglich. Diese Keramik kann mit den üblichen Küchenwerkzeugen kaum zerkratzt werden. Sie sind wegen ihrer guten Biegezugfestigkeits-Werte äußerst formstabil und hoch bruchresistent bei üblichem Gebrauch in den Küchen und Bädern. Wenn die Platten auf einer verwindungssteifen Unterkonstruktion aufgebaut werden, bestehen keine Probleme. Die Platten sollten nach einer Technischen Richtlinie der Bundesinnung Deutscher Steinmetze eine Mindeststärke von 12 mm haben und die Reststegbreite sollte 50 mm nicht unterschreiten. Verbesserungen der Stabilität sind durch Platten aus Naturstein, Metall und Holz sind möglich.
Dekor
Da lediglich einzelne Plattensorten mit durchgängigem Kanten-Dekor angeboten werden können, besteht dennoch die Möglichkeit Kanten anzubringen. Es handelt sich um eine technische Lösung, bei der 3 mm starke Materialstreifen 45 Grad schräg formatiert – durchaus in großer Länge – und an eine ebenso schräg gesägte Plattenkante angeklebt werden. Bei einer derartigen Verklebung haben sich spezielle Kleber und im Spezialhandel erhältliche Montage-Gestelle bewährt.
Dimensionen
In dem Herstellungsprozess entstehen große Platten, die abschließend besäumt werden.
Standard-Größen der Platten erreichen 320 x 150 cm und 360 x 120 cm. Die Plattengrößen sind variabel bestellbar.
Die Stärken der Platten betragen 3 mm, 6 mm, 12 mm und 20 mm. Es sind aber auch unterschiedliche Stärken bis 30 mm erhältlich. Für Arbeitsplatten ist entsprechend einer Technischen Regel der Bundesinnung Deutscher Steinmetze eine Mindeststärke von 12 mm erforderlich. Die 3 mm starken Platten können mit Gewebe, aufgeklebt mit Epoxidharz stabilisiert werden.
Kriterien
Die Kriterien zur Beurteilung geeigneten Materials werden wesentlich vom Einbauort und von der Verwendung bestimmt, daher sind die Steinmetz-Fachbetriebe ein geeigneter Partner, der ihr Anliegen unterstützen kann. Zwei Beispiele mögen diesen Aspekt verdeutlichen. Während die Frostbeständigkeit für Bodenbeläge in einem Haus keine große Rolle spielen dürfte, hat dies für einen Terrassenbelag große Bedeutung oder eine Kunststein-Fliese an einer Wand wird nicht mit punktueller Hitze eines Pfannenbodens wie auf einer Küchenarbeitsplatte beansprucht usw.
Technische Eigenschaften
Die Wasseraufnahme ist äußerst gering, daher dringt kaum Feuchtigkeit ein und dieser Kunststein kann leicht gereinigt werden. Dieser Kunststein ist für die üblichen säure- und laugenhaltigen Reinigungsmittel in Küchen und Bädern beständig, ferner dringt kein Speiseöl ein. Keramik ist frost- und hitzebeständig und besteht auch gegen abgesetzte heiße Pfannen.
Nachhaltigkeit
Der Ressourcenaufwand ist hoch, da zur Produktion industrielle Großanlagen aufgebaut werden müssen. Der Energieverbrauch wird laut Herstellerangaben durch Sonnenergie minimiert. Das Recycling bereitet keine Probleme, da Keramik zu 100 % aus Mineralen besteht.
Normen
Eine technische Prüfung dieser Platten kann entsprechend der aktuellen DIN EN ISO 10545 Keramische Fliesen und Platten - Teil 1: Probenahme und Grundlagen für die Annahme erfolgen. Es gilt die Norm EN 14411, Gruppe BIa für trockengepresste keramische Fliesen und Platten mit niedriger Wasseraufnahme E ≤ 0,5 %. Wer als Steinmetz über technische Werte von Keramik mehr Informationen benötigt, kann sie vom Lieferanten anfordern.
3.2 Quarzkomposit
Quarzkomposit wird auch Quarzwerkstein, Quarzstein oder Engineering Stone (englisch: frei übersetzt, Ingenieur-Stein) genannt. Er wird für Fensterbänke, Fußboden- und Wandbeläge, Tische, Treppenbeläge, Arbeitsplatten in Küchen und Waschtischplatten in Bädern verwendet.
Quarzkomposit gibt es seit dem Jahr 1985. Er zählt zu den Kunststeinen, weil ein nicht natürliches Bindemittel meistens Kunstharz-Polyester, aber auch Epoxidharz, unter Beigabe von anorganischen Farbpigmenten enthalten ist. Kunstharze verleihen ihm seine Festigkeit.
Herstellung
Aus den Zuschlägen von 93 bis 95 % Quarz und Quarzmehl mit Farbpigmenten, denen auch Glasfragmente und glitzernde Partikel beigemischt werden können, entsteht durch die Beigabe von Kunstharz dieser Werkstein. Die Mischung wird in eine Form gegossen, die durch Rütteln oder Pressen verdichtet wird. Danach wird die angemischte Masse in eine mit Papier ausgelegte Form in einem Ofen eine halbe Stunde lang auf 100 °C erwärmt. In diesem Prozess polymerisiert die Masse, kühlt danach ab und wird anschließend besäumt und kann geschliffen werden.
Verwendung, Eigenschaften
Vorteile: „gleichmäßige Farbe und Struktur, gute Reproduzierbarkeit, große Farbvielfalt, hohe End- und Abriebfestigkeiten, große Formate bei geringer Plattendicke, gute Chemikalienbeständigkeit, empfindlich gegen starke Laugen, gute Hygiene- und Pflegeeigenschaften.“ (entn. Naturstein-Ausgabe 9/12, S. 31)
Nachteile: „hohe Temperaturausdehnung, enthaltene Farbstoffe nicht immer zu 100% UV-beständig, daher Lagerung in der Halle, Spannungsriss-Risiko bei der Rohplattenverarbeitung mittels Brückensäge/ Wasserstrahl, teilweise hohe Verschnittkosten, da Reststückeverwertung schwierig, Oberflächen nachträglich fast nicht polierfähig, Schmutz fällt bei homogenen Sorten besonders auf; Endkunden halten sie, dann leicht für wenig pflegeleicht.“ (aus Naturstein-Ausgabe 9/12, S. 31)
Die lieferbaren Rohplatten-Größen betragen etwa 320 cm x 140 cm oder 320 cm x 150 cm, es gibt auch größere Formate.
Weitere umfassende technische Eigenschaften und Informationen zum Thema Quarzkomposit finden Steinmetze in der Naturstein-Ausgabe 09/12 in einem bemerkenswert informativen Expertengespräch.
3.3 Agglo
Agglo wird auch Gussmarmor oder kurz Agglo-Marmor genannt. Verwendet wird für Fensterbänken, Treppen und Bodenplatten und zählt ebenfalls zu den Kunststeinen, weil unterschiedliche Natursteinkörnungen und auch eingebrachte Natursteinbruchstücke, Kunstharz und Farbpigmenten unter Vakuum vibrierend vermischt werden können. Durch Bewegung und Vermischung entsteht eine homogene Masse, die verdichtet und zu Rohblöcken gegossen wird. Dieser flüssigen Rohmasse werden die entsprechenden Körnungen zugesetzt und erhärten abschließend zu einem Rohblock in der Größe von 305 x 140 x 88 cm. Agglo-Marmor wird aus bis zu etwa 95 % meist aus einer Marmor- und selten auch Kalksteinkörnung, Farbpigmenten sowie aus ca. 5 % Polyesterharz hergestellt, die vermischt werden. Dieser Herstellungsprozess fand zum ersten Mal im Jahr 1968 durch das Unternehmen Breton in Italien statt. 1977 wurde die Herstellung patentiert. Agglo lässt sich in großen Rohblöcken gießen, die nach dem Erhärten üblicherweise in Stärken von 2 cm, 3 cm und 4 cm aufgesägt werden. Sie bilden das Ausgangsmaterial im Innenausbau für Treppen, Bodenbeläge und Fensterbänke. Bei einer Verwendung als Fliesen wurden sie auf eine Stärke von 1,2 cm kalibriert.
Verwendung
Agglo kann mit beliebiger Körnung und Farbe hergestellt werden. Außen kann er nicht verbaut werden, da er nicht verwitterungsfest ist.
In den 1970er und 1980er Jahren hat Agglo einen Aufschwung zu verzeichnen, verlor aufgrund fallender Preise für Naturstein und anderen Kunststeinen wie Quarzkomposit und Keramik an Marktanteilen.
3.4 Mineralwerkstoff
Mineralwerkstoff wird auch Acrylstein genannt. Er zählt allerdings nicht zu den Kunststeinen. Dieser Stoff besteht zu etwa 75 % aus Mineralen, anorganischen Pigmenten und zu etwa 25 % aus Acrylharz. Die Platten aus Mineralwerkstoff wurden in den 1960er Jahren auf den Markt gebracht und können mit Tischlermaschinen verarbeitet werden. Dieser Werkstoff lässt sich thermisch verformen.
Verwendung dürfte er vor allem in Bädern, Hotelzimmern und Ladengeschäften finden.
Hinweis zu den Kunststeinen: Die hier enthalten Abbildungen lediglich einen Ausschnitt vorhandener Varianten.
Hinweis zu den Natursteinen: Hier finden Sie eine Natursteindatenbank mit 5.200 Mustern aus über 100 Staaten.
https://www.baunetzwissen.de/fliesen-und-platten/fachwissen/anforderungen/wasseraufnahme-156831 In: Baunetz: Technische Werte zur Wasseraufnahme bzw. Frostfestigkeit
https://www.youtube.com/watch?v=fwoCLEC63Sc In: Youtube: Herstellung von Großformat-Platten
https://www.haus.de/bauen/porzellankeramik-7074#a-6-vorteile-von-porzellankeramik In: Das Haus: Vorteile von Pozellankeramik
https://www.baunetzwissen.de/fliesen-und-platten/fachwissen/keramische-belaege/porzellankeramik-3387371 Baunetz: In: Porzellankeramik https://www.mwk-natursteinhandel.de/Naturstein-Lexikon/Kunststein/Agglo-Marmor In: Agglo-Marmor
https://www.marmor-otto.de/NS_030_042_Quarzkomposit_09_2012.pdf Aus: natursteinonline.de Expertenwissen Quarzkomposit
https://laminam-cdn.thron.com/static/SMTKHV_Technical_Sheet_CALACATTA_MICHELANGELO_4NP5OX.pdf?xseo=&response-content-disposition=inline%3Bfilename%3D%22technical-sheet-calacatta-michelangelo.pdf%22 In: Laminam: Technische Richtlinien und Normen
Fotonachweis: alle Reiner Flassig
Reiner Flassig, aktualisiert am 27. Oktober 2024
Steinmetz-Fachthemen Nr. 2/2024
Grundlagen der Flächentechnik und das Ersehen, eine Hilfe für Lehrlinge in ersten Lehrjahr.
Abbildung aus Ludwig Geißler, Heinrich Pfeil: Fachzeichen für Steinmetze, von 1939, hrsg. von Reiner Flassig, Buch erhältlich im Natursteinonline-Shop.
Veröffentlicht am 13. September 2024
Reiner Flassig, 13. September 2024
Steinmetz-Fachthemen Nr. 1-2024
Die wichtigen fachlichen Grundbegriffe wie Werkstein, Platte, Grabstein, Naturstein oder Naturwerkstein erläutert
Vorbemerkung
Der historisch überkommene Begriff Werkstein erfährt neuerdings wieder Bedeutung, u.a. auch da das Steinmetzgewerk verstärkt Werksteine am Bau aus Mauersteinen- aus unterschiedlichen Überlegungen - verwenden will. Der Begriff Werkstein soll hier nachfolgend kurz dargestellt, begrifflich erläutert und gegenüber anderen Begriffen abgrenzt werden.
DIN 18332
Entsprechend der DIN 18332 "Naturwerksteinarbeiten" sind Natursteine unter einer Stärke von 8 cm als Platten und über 8 cm Stärke als Massivarbeiten definiert. Massive Arbeiten und Platten herzustellen, ist „Werksteinarbeit“, die sich grundlegend im technischen Sinn nach Weich- oder Hartgestein unterscheidet. Dies gilt sowohl für Hand- als auch Maschinenarbeit.
Werksteine
Werden alle Flächen eines Naturstein-Quaders bearbeitet, sprechen Steinmetze vom „allseits bearbeiteten Werkstein“. Bei einem Werkstein gibt es (siehe Skizze) ein Haupt (1) und ein Hinteres Haupt (2). Eine Fläche wird Lager (3) und eine weitere Oberes Lager (4) genannt. Die Flächen werden als Stoß bzw. Stoßfuge (5, 6) bezeichnet. Eine Natursteinmauer wird als „zweihäuptig“ bezeichnet, wenn beide Mauerseiten freistehen und als „einhäuptig“, wenn eine Mauerseite gegen das Erdreich stößt.
Bei freistehenden Werksteinen werden die sogenannten "Stoßfugen" oft Köpfe genannt. Diese Bezeichnung hat sich verschiedentlich durchgesetzt, ist aber nicht widerspruchsfrei, weil bei Grabsteinen die oben liegende Fläche auch Kopf genannt wird. Des Weiteren hat sich bei den Fensterbänken die Bearbeitung Kopfbearbeitung durchgesetzt. Gemeint ist die linke und rechte polierte Seite, die bearbeitet seitlich hervorragt.
Bei einer Schichtenmauer sind die Lager- und Stoßfugenflächen bis zu einer Tiefe von 13 bis 15 cm und beim Quadermauerwerk in Gänze bearbeitet. Die nicht sichtbaren Flächen eines Werksteins im Mauerwerk können auch lediglich eingeebnet sein. Dies gilt insbesondere für die Flächen im Inneren von Bauwerken, die später verputzt werden. Um die Haftung zwischen den Quadern zu verbessern, können Fugenflächen mit einem Spitzeisen aufgeschlagen werden. Bruchsteine oder Lesesteine sind keine Werksteine, denn hier werden lediglich die Lager vor dem Einbau gering eingeebnet, falls dies erforderlich ist.
Den oberen Abschluss einer freistehenden Mauer bezeichnet man als „Mauerkrone. Diese "Krone" verhindert das Eindringen von Regen weitestgehend und sichert die Mauerfestigkeit langfristig. Eine Mauerschräge, die Neigung einer Natursteinmauer, nennen Steinmetze „Dossierung“ oder „Anlauf“.
Grabstein
Bei Grabsteinen handelt es sich ebenfalls um Werksteine, allerdings wurden die Flächenbezeichnungen entsprechend praktischen Gesichtspunkten im Laufe der Zeit angepasst.
Bei den Grabsteinen wird das ursprüngliche „Haupt“ des Mauer-Quaders als (siehe a) Ansichtsfläche bezeichnet; das „Hintere Haupt“ wird zur Rückseite (ohne Angabe). Die „Stoßfugen“ werden zu b) Nebenseiten genannt. Das „Obere Lager“ wird zum c) Kopf. Das ursprüngliche „Lager“ erhält die Bezeichnungen d) Standfläche oder Standfuge.
Platte
Werksteinarbeit kann sowohl händisch als auch maschinell ausgeübt werden. Dies gilt auch die Plattenarbeit, denn alle Seiten sind maschinell oder selten händisch bearbeitet.
Naturstein
Die populäre Verwendung des Begriffs "Naturstein" steht obigen Überlegungen nicht entgegen, da dieser in der Alltagssprache und meistens im kommerziellen Zusammenhang verwendet wird. Naturstein als Begriff bleibt in der Fachsprache undefiniert. Im kommerziellen Gebrauch wird dieser Begriff Naturstein eher als Ober- bzw. Sammelbegriff für alle Natursteinsorten benutzt.
Naturwerkstein
Der Begriff Werkstein benutzten im deutschsprachigen Raum über Jahrhunderte hinweg ausschließlich Steinmetze. Zu beachten gilt: Gesteinsvorkommen, Felsen und Bruch- bzw. Lesesteine werden erst dann zu Natursteinen, wenn eine wirtschaftliche Betrachtung vorliegt. In der oben erwähnten DIN 18332 wird stets der Begriff "Naturwerksteinarbeiten" benutzt. Dieser Begriff ist letztlich eine Tautologie (weißer Schimmel). Generell gilt, dass sich die Werksteinbearbeitung für Kunststeine wie Betonwerkstein, Quarzkomposit, Keramik und Agglo lediglich marginal unterscheidet, steht außer Frage.
Die Verwendung des Begriffs "Naturwerkstein" macht im kommerziellen Geschehen durchaus Sinn, da sich damit Natursteine gegenüber Betonwerkstein und anderen "Kunststeinen" abgrenzen lassen. Sicherlich hat in der heutigen Zeit die Verwendung "Natur" besondere Bedeutung für Menschen und verbessert damit auch das betriebliche Marketing und Image. In der betrieblichen Praxis und Steinbearbeitung kommt der Begriff Naturwerkstein bzw. Naturwerksteinarbeit unter den beschäftigten Steinmetzen sprachlich kaum vor, sondern als "Werkstein" oder "Werksteinarbeit".
Allgemeiner Hinweis:
Fachthemen oder Fachblätter werde ich jeweils in der Monatsmitte auf dieser Internetseite veröffentlichen. Später sind sie, nachdem neue Begriffe eingestellt wurden und eine Ausgabe nicht angezeigt wird, im Archiv dieser Internetseite abrufbar.
Abbildungsnachweis zum Fachaufsatz 1: Abbildung zum Werkstein ist aus Ludwig Geißler, Heinrich Pfeil. Technisches Zeichnen für Steinmetze, hrsg. von Reiner Flassig, erhältlich auf Natursteinonline.
Foto zur Stele: Reiner Flassig.
Quelle zum Abschnitt Werkstein: Stefan M. Holzer “Werkstein und mehrschalige Mauerkonstruktionen”, Seite 21 (PDF).
Reiner Flassig, aktualisiert am 21. Oktober 2024